AUSTRALIEN
Völlig überraschend erlebten Sharman Networks, führende KaZaA-Manager und die der Tauschbörse verbundene Firma Brillant Digital am Freitag letzter Woche parallele Razzien von Büros und Wohnungen. Schon am Dienstag wollen australische Musikindustrievertreter auf den Ergebnissen eine Klage gründen.
Kampf gegen KaZaA: Erfolgsgeschichte der P2P-Börse vor dem jämmerlichen Ende?
Lassen sich auf den Servern von KaZaA Nachweise dafür finden, dass die Firma aktiv an Verletzungen des Copyrights beteiligt ist? Das ist die Gretchenfrage, an der sich schon in dieser Woche entscheiden könnte, ob der P2P-Riese KaZaA ganz, ganz schnell zu Fall kommt oder nicht.
Am Freitag letzter Woche klopften Detektive der australischen Music Industry Piracy Investigations (MIPI), ermächtigt durch entsprechende gerichtliche Beschlüsse, an Büro- und Wohnungstüren von KaZaA-Managern und den ihnen verbundenen Unternehmen. Parallel durchstöberten sie Datenbanken bei Serviceprovidern und an Universitäten. Sie machten keinen Hehl daraus, wonach sie suchten: Nach nachweisen, dass KaZaA aktiv an Copyright-Verletzungen beteiligt ist. Denn nur dann ließe sich das Unternehmen vor Gericht so gut wie umgehend lahmlegen.
Das ist eigentlich ein Szenario, das seit den Tagen von Napster (der ursprünglichen P2P-Börse), Audiogalaxy und Co als überholt galt: Nur die erste Generation der P2P-Börse stützte sich auf zentrale Server, über die der Verkehr innerhalb des P2P-Netzes lief. Die Betreiber dieser Börsen fanden sich vor Gericht chancenlos: Stets befanden Richter rund um den Globus, dass sie ihre Dienste einzustellen hätten.
Anders bei den Börsen der zweiten Generation: FastTrack und Gnutella, Overnet und eDonkey gelten als verteilte Netze, die erst durch die Verschaltung der Nutzer miteinander entstehen. Unternehmen wie KaZaA sitzen da nur als Entwickler der nötigen Software mit im Boot, können vor Gericht aber argumentieren, Copyright-Verstöße seien nichts als ein Missbrauch ihrer anders gemeinten Software durch die P2P-Nutzer.
Doch gerade im Falle KaZaA können da Zweifel aufkommen.
Als sich KaZaA im Frühjahr 2002 recht ruppig vom ehemaligen Partner Morpheus trennte, wischte KaZaA einfach geschätzte 28 Millionen Morpheus-Nutzer aus dem gemeinsamen FastTrack-Netz. Auch Morpheus-Chef Michael Weiss zeigt sich nun "sehr neugierig, wie die das gemacht haben".
Denn der Rauswurf kam abrupt: KaZaA modifizierte das Protokoll des fastTrack-Netzwerkes und klemmte so die Morpheus-Nutzer ab, wie KaZaA es (weniger erfolgreich, aber nach und nach) heute mit den Nutzern von KaZaA Lite versucht. Das aber, meinen Experten bei der MIPI, setze ein gehöriges Maß Kontrolle über das Netzwerk voraus.
Man spielt nicht mit den Schmuddelkindern
Wenn den Fahndern dieser Nachweis gelingt, brechen für KaZaA harte Zeiten an. Bereits am Montag dementierte KaZaA, dass es über die Börse laufende Daten kontrollieren oder gar zensieren könne. KaZaA, sagte ein Sprecher, sei "nicht in der Lage, Dateien, die Urheberrechte verletzen, auszufiltern".
Genau das aber wird die Industrie von der Börse verlangen. Parallel zur KaZaA- und Sharman-Razzia durchsuchten die Fahnder auch die Geschäftsräume der Partnerfirma Brillant Digital, die zum einen Spyware über das KaZaA-Netz vertreibt, andererseits über ihre Tochterfirma Altnet aber angeblich ein Netzwerk für den legalen Vertrieb von Daten über das KaZaA-Netz verfügt. Diese Daten greifen auf eine DRM-Sicherung zurück - und allein daraus konstruiert die Industrie bisher, KaZaA könne zwischen "geschützt" und "ungeschützt" unterscheiden.
Das aber, sagen Sharman und KaZaA, sei Unsinn: Dass Altnet den eigenen Datenbestand sichern und kontrollieren könne, heiße nicht, dass man das auf alle Dateien bei KaZaA ausdehnen könne.
KaZaA: Eingenapstert?
Jetzt wartet die P2P-Szene auf den Dienstag morgen, denn da soll bereits Klage erhoben werden. Deren Chancen und Reichweite wird von den Befunden der Razzien der letzten Woche abhängen. Schon signalisierte die MIPI scheinbar großzügig, dass sie die Klage sofort fallen lassen würde, wenn KaZaA sich auf den Vertrieb von DRM-geschützten Altnet-Dateien beschränke.
Das aber käme einer Schließung von KaZaA gleich: Erstens gibt es nur wenige legale Altnet-Dateien, zweitens sind die kein Grund, bei KaZaA zu bleiben. Denn dort suchen Musik- und Filmfans populäre Inhalte, und die hat Altnet nicht zu bieten: Die großen Entertainment-Firmen verweigern die Zusammenarbeit mit dem Unternehmen und lizensieren ihre Daten nicht an den undurchsichtigen Verteiler - man spielt nicht mit den Schmuddelkindern.
Als Alternativen blieben den P2P-Nutzern dann im Fall der Fälle die zahlreichen entstehenden kommerziellen Börsen - oder die KaZaA-Konkurrenten Shareaza, eDonkey, BitTorrent und Co. Die wachsen seit Monaten in dem Maß, in dem KaZaA schrumpft und mehr.
Und wieder einmal könnte sich die P2P-Geschichte wiederholen.
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